Einführung
Im 20. Jahrhundert setzten Flucht und Vertreibung mit den Balkankriegen ein und erfassten in und kurz nach dem Ersten Weltkrieg zahlreiche ethnisch-religiöse Gruppen. Den Auftakt zu einer neuen Welle von Flucht und Vertreibung bildete der Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August 1939. Er war nicht nur Voraussetzung für den deutschen Angriff auf Polen, sondern auch für das vorläufige Ende der nationalen und internationalen Bemühungen um den Schutz nationaler Minderheiten und für den Beginn großer Bevölkerungsverschiebungen besonders im östlichen Europa. Im Zusatzprotokoll zu diesem Pakt grenzten das Deutsche Reich und die UdSSR ihre Interessenssphären ab: Finnland, Estland, Lettland, die polnischen Gebiete östlich der Flüsse Narew, Weichsel und San sowie Bessarabien fielen in die sowjetische Sphäre. Am 28. September 1939 schlossen beide Großmächte den deutsch-sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag, mit dem die vereinbarte Demarkationslinie modifiziert wurde: Er verneinte den zuvor erwogenen Fortbestand eines polnischen Rumpfstaates. In Abwandlung des Hitler-Stalin-Pakts ging Zentralpolen an das Deutsche Reich über, Litauen an die UdSSR. In den besetzten Gebieten hinter der Demarkationslinie erzwangen sowohl die sowjetische als auch die deutsche Führung umfangreiche Umsiedlungen.
Deportationen im sowjetischen Machtbereich 1939–1943
Nach ihrem Sieg im Bürgerkrieg hatte sich die neue Sowjetmacht darum bemüht, die Loyalität der verbliebenen Randvölker und Diaspora-Gruppen durch die Einrichtung sprachnational definierter Territorien und die Förderung ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Interessen zu gewinnen. Auf die Kollektivierung der Landwirtschaft seit 1929 antworteten jedoch sowohl die sogenannten "westlichen Nationalitäten" wie die Polen und Deutschen als auch die sogenannten "östlichen Nationalitäten" wie Aserbeidschaner, Kasachen, Koreaner und Chinesen mit der Flucht aus der Sowjetunion sowie Aufständen. Schockiert erkannte die Führung, dass die nationalen Minderheiten keine Werbeträger für das sowjetische System waren. Die endgültige Wende in der Nationalitätenpolitik brachte die innen- und außenpolitische Entwicklung der Jahre 1933 und 1934, nämlich einerseits die "ukrainische Krise" mit der Russifizierung und Hungersnot1 und andererseits der deutsch-polnische Nichtangriffspakt sowie das Vordringen der Japaner in die Mandschurei und nach China. Der sogenannten "Entkulakisierung", also der Deportation wohlhabender Bauern in unwirtliche Gebiete des Nordens und Ostens, folgten seit 1935 "nationale Operationen". Nationalitäten, die in den Grenzgebieten siedelten oder ein "Mutterland" jenseits der Grenzen hatten, vor allem aber Polen, Deutsche und Koreaner, wurden nach Kasachstan und Zentralasien transportiert. Der "große Terror" der Jahre 1937 bis 1938 richtete sich nicht mehr nur gegen potentielle "Klassenfeinde", sondern gegen ganze Nationen.2
Aus den Territorien, die sich die Sowjetunion 1939 und 1940 gemäß dem Hitler-Stalin-Pakt aneignete, wurden noch vor dem deutschen Angriff am 22. Juni 1941 insgesamt 1,2 Millionen Personen, besonders die Führungsschicht sowie Bauern Polens, des Baltikums und Bessarabiens, deportiert,3 während die meisten Karelier von den finnischen Behörden rechtzeitig evakuiert wurden.4 Nach dem 22. Juni 1941 wurde die deutschsprachige Bevölkerung nicht nur der Grenzgebiete, sondern des gesamten europäischen Teils, insgesamt wiederum 1,2 Millionen Menschen,5 ebenso wie die Finnen Nordwestrusslands nach Osten verfrachtet.6 Etwa ein Drittel der deportierten Deutschen wurde ab 1942 zur Zwangsarbeit in der sogenannten Arbeitsarmee mobilisiert. Eine viertel Million Ukrainedeutscher konnte allerdings aufgrund des schnellen deutschen und rumänischen Vormarsches nicht mehr deportiert werden. Diese wurden, bevor die sowjetische Armee die Ukraine zurückeroberte, in das "Großdeutsche Reich", besonders in den "Warthegau", evakuiert. Dort fiel ein Teil von ihnen 1944 der sowjetischen Armee in die Hände, der andere wurde von den westlichen Alliierten an die Sowjets ausgeliefert. Sie wurden "repatriiert", allerdings in den asiatischen Teil der Sowjetunion.7
Vom Exodus zum "Generalplan Ost"
Nach dem Münchener Abkommen vom 29. September 1938 hatten sich die allermeisten Juden, ein Teil der sudetendeutschen Antifaschisten sowie etwa 200.000 Tschechen dem Druck und der erwarteten Verfolgung in den annektierten Sudetengebieten durch Flucht in das Innere der Tschechoslowakei entzogen.8 Eine weitere ethnische Säuberung vereinbarten Adolf Hitler (1889–1945) und Benito Mussolini (1883–1945) am 23. Juni 1939: Die Südtiroler wurden vor die Wahl gestellt, entweder ohne Minderheitenrechte "südlich des Po" angesiedelt zu werden oder ins Deutsche Reich umzusiedeln, wofür nach einer heftigen Auseinandersetzung 86 Prozent optierten.9 In einer Rede vom 6. Oktober 1939 forderte Hitler
eine neue Ordnung der ethnographischen Verhältnisse, d.h. eine Umsiedlung der Nationalitäten so, dass sich nach Abschluss der Entwicklung bessere Trennungslinien ergeben, als dies bis heute der Fall ist. ... Denn der ganze Osten und Südosten Europas ist zum Teil mit nicht haltbaren Splittern des deutschen Volkstums gefüllt. Gerade in ihnen liegt ein Grund fortgesetzter zwischenstaatlicher Störungen.10
Den Deutschen der baltischen Staaten, Ostpolens, Bessarabiens und der Nordbukowina schien die "diktierte Option"11 für das "Großdeutsche Reich" ein kleineres Übel, als unter sowjetische Herrschaft zu fallen. Die Umsiedler konnten ihr bewegliches Vermögen mitnehmen, ihr unbewegliches Eigentum verkaufen und den Erlös zusammen mit anderen Werten zur Verrechnung auf Treuhandstellen einzahlen. Der NS-Staat behielt allerdings das Geld und entschädigte die deutschen Übersiedler aus dem geraubten Eigentum von Polen und Juden. Ende 1940 wurden auch noch Deutsche aus der südlichen Bukowina und der Dobrudscha "heim ins Reich" geholt.12
Es wurde gezeigt, dass die "Rückführung" dieser insgesamt etwa 500.000 "Volksdeutschen" die Pläne zur Aussiedlung der Polen aus den "eingegliederten" polnischen Westgebieten und zur Vernichtung der Juden radikalisiert hat. Um Platz für die städtischen Deutschbalten zu schaffen, wurde Lodz (Łódź) mit seinen etwa 500.000 Polen und 200.000 Juden dem "Warthegau" zugeschlagen.13Land für die deutschen "Kolonisten" gewann man, indem man je zwei polnische Bauern für einen Volksdeutschen vertrieb,14 und Wohnungen für die städtischen Deutschen, indem man die Lodzer Juden aus ihren Wohnungen in einen Stadtteil umquartierte, der als Ghetto vorgesehen war.15 Dieses Ghetto wurde im April, das Ghetto Warschau im September 1940 abgeriegelt. Insgesamt wurden 860.000 Polen aus den eingegliederten Gebieten in das Generalgouvernement deportiert, weitere 300.000 von ihren Höfen getrieben bzw. aus ihren Wohnungen geworfen. Die Zahl der zur Zwangsarbeit eingezogenen polnischen Zivilisten wird auf 2,8 Millionen, die der sowjetischen auf 3,2 Millionen geschätzt. Nach dem Warschauer Aufstand musste im Oktober 1944 eine halbe Million Polen die Hauptstadt verlassen.16 Die ethnischen Säuberungen in anderen Gebieten hatten einen wesentlich geringeren Umfang. Aus Elsass und Lothringen wurden etwa 150.000, aus dem eingegliederten Nordslowenien 60.000 Personen vertrieben.17
Die über die "eingegliederten Gebiete" hinausreichenden Siedlungs- und damit auch Vertreibungspläne wurden im sogenannten "Generalplan Ost" zusammengefasst, den Heinrich Himmler (1900–1945) zwei Tage nach dem Angriff auf die Sowjetunion in Auftrag gegeben hatte. Einen ersten Schritt in diese Richtung sah Himmler in der Ansiedlung von Volksdeutschen im Gebiet um Zamość im Generalgouvernement, die im November 1941 begann und bis Juli 1943 zur Vertreibung von 100.000 Polen und zur Umsiedlung einer großen Zahl von Ukrainern führte.18 Nach dem "Generalplan Ost", der später zum "Generalsiedlungsplan" erweitert wurde, sollte die deutsche "Volkstumsgrenze" in nur 30 Jahren durch "germanische Neusiedlung" um nicht weniger als 1.000 Kilometer nach Osten vorgeschoben werden und die "Wehrgrenze" sogar am Ural verlaufen. Der Plan sah die hierarchische Gliederung der Einwohner dieser Region nach rassistischen Kriterien vor und kalkulierte die Vertreibung von 31 Millionen Menschen nach Sibirien ein, während weitere 14 Millionen als "fremdvölkische" Arbeitssklaven ausgebeutet werden sollten.19
Flucht und Vertreibung im deutsch-italienischen Einflussbereich
Ante Pavelić (1889–1959), der "Führer" des "Selbständigen Kroatischen Staates", dem Bosnien-Herzegowina zugeschlagen worden war, bot Hitler an, die Slowenen, die aus den von Deutschland annektierten Gebieten ausgesiedelt werden sollten, aufzunehmen, und erhielt dafür dessen Zustimmung zur Aussiedlung eines Teils der serbischen Bevölkerung. Die rund 200.000 vertriebenen Serben20 und Flüchtlinge, die vom Massenmord bedroht waren, bildeten Unruheherde, auf die sich sowohl der Widerstand der nationalistischen Četnici als auch der kommunistischen Partisanen stützten. Deshalb mussten die kroatischen Machthaber ihre Politik auf deutschen Druck mildern. Das wichtigste Instrument, einen national homogenen Staat zu schaffen, sah das Regime nun in der zwangsweisen Katholisierung der orthodoxen Bevölkerung. Auch aus dem Kosovo, das zum überwiegenden Teil an den italienischen Satellitenstaat Albanien gefallen war, wurden Serben, unter ihnen vor allem die seit 1918 dort angesiedelten "Kolonisten", vertrieben.21 Die Teilung der Dobrudscha im Juli 1940 zwischen Rumänien und Bulgarien war mit einem Austausch der jeweiligen Minderheiten in "ihren" Nationalstaat verbunden.22 Nach dem 2. Wiener Schiedsspruch von 1940, der Nordsiebenbürgen Ungarn zusprach, flohen je 200.000 Rumänen und Magyaren in den Süden bzw. Norden.23 In der Batschka siedelte Ungarn nach seiner Beteiligung an der Zerschlagung Jugoslawiens 300.000 Szekler an.24 Während der bulgarischen Besetzung wurden in Ostmazedonien und Westthrazien etwa 100.000 Bulgaren angesiedelt, während noch mehr Griechen flohen oder vertrieben wurden.25
Einbeziehung der Westmächte in die "Transfer"-Planung
Die "Heimholung" deutscher Volksgruppen nutzten tschechoslowakische und polnische Exilpolitiker zur Rechtfertigung ihrer eigenen Aussiedlungspläne. Mit dem Abkommen über die Umsiedlung der Südtiroler vom 23. Juni 1939 habe Hitler einen Präzedenzfall geschaffen.26 Die Rücknahme der Deutschbalten durch Hitler sei ein Prozess, der zu Ende geführt werden müsse, um den "deutschen Kolonialbesitz an der Ostsee zu liquidieren", schrieb der polnische Außenminister August Zaleski (1883–1972) an den britischen Außenminister.27 Und der polnische Botschafter erklärte dem britischen Außenminister, dass die Deutschen aus Ostpreußen nach Deutschland ausgesiedelt werden müssten: Hitler habe ja in den "eingegliederten" polnischen Westgebieten gezeigt, wie man solche Probleme löse.28 In diesem Krieg seien die deutschen Minderheiten, die in allen Staaten teils passiv, teils aktiv als Instrumente des deutschen Imperialismus gedient hätten, zu "einer internationalen Bedrohung" geworden, schrieb der tschechoslowakische Exilpräsident Edvard Beneš (1884–1948): "Kein mitteleuropäischer Staat wird sich erneut dem Risiko aussetzen wollen, dem wir, Jugoslawien, Rumänien oder Polen in den letzten Jahren ausgesetzt waren." Da Hitler selbst die deutschen Minderheiten aus dem Baltikum und Bessarabien umgesiedelt habe, könne es Deutschland nicht a priori als ungerecht betrachten, wenn andere Staaten dieselben Methoden auf deutsche Minderheiten anwendeten.29
Schon am 6. Juli 1942 erklärte das britische Kabinett auf Benešs Betreiben öffentlich das Münchener Abkommen für ungültig und insgeheim seine Zustimmung zum "allgemeinen Grundsatz des Transfers von deutschen Minderheiten in Mittel- und Südosteuropa nach Deutschland nach dem Kriege in Fällen, wo dies notwendig und wünschenswert erscheint". Im Mai bzw. Juni 1943 gaben auch die amerikanische und sowjetische Regierung ihr Einverständnis zum Transfer der Deutschen aus der Tschechoslowakei.30
Die polnische Regierung vertrat im Exil traditionelle Vorstellungen der polnischen Nationaldemokraten: Nach dem Anschluss Oberschlesiens sowie Ostpreußens mit Danzig an die Republik sollten deren polnische Einwohner bleiben und die deutsche Bevölkerung ausgesiedelt werden. An dieser Konzeption hielten die polnischen Exilregierungen fest. Weiter reichende Forderungen aus der Widerstandsbewegung und dem Exil lehnten sie allerdings ab, da sie Polen in eine dauerhafte Frontstellung gegen Deutschland zwingen und die Verteidigung Ostpolens gegen sowjetische Ansprüche erschweren müssten.31 In seinen Bemühungen, die Exilregierung zur Annahme der sowjetischen Gebietsforderungen zu bringen und damit ihre Rückkehr nach Polen zu ermöglichen, bot Winston Churchill (1874–1965) dem polnischen Premier Stanisław Mikołajczyk (1901–1966) einen immer größeren Teil Deutschlands an, im Oktober 1944 sogar eine Grenze an der Oder unter Einschluss von Stettin und Breslau sowie die Aussiedlung aller Deutschen. Als Mikołajczyk schließlich auf das Angebot eines Polens zwischen der Oder und der Linie, die der damalige britische Außenminister Lord George Nathaniel Curzon (1859–1925) im Dezember 1919 als provisorische Ostgrenze vorgeschlagen hatte, eingehen wollte, wurde er gestürzt.32
In Polen amtierte damals aber schon das "Lubliner Komitee", das Moskau als Instrument seiner Politik eingesetzt hatte. Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit der Exilregierung Anfang 1945 erkannte Moskau dieses Komitee als provisorische Regierung an und erlaubte ihr, alle Gebiete nicht nur bis zur Oder, sondern auch bis zur Görlitzer Neiße in Besitz zu nehmen. Als sich abzeichnete, dass sich diese Regierung mit Unterstützung der Roten Armee und der Geheimpolizei gegen die polnische Exilregierung durchsetzen würde, sah London keinen Grund mehr, eine allzu große Westausdehnung Polens zu befürworten. Denn die Warschauer Marionetten-Regierung hatte die Curzon-Linie ohnehin akzeptiert.33 Auf den Konferenzen von Jalta (Februar 1945) und Potsdam (Juli/August 1945) stritten deshalb Briten und Amerikaner mit den Sowjets darum, ob Polen bis zur Oder und Görlitzer Neiße oder nur bis zur Oder reichen sollte. Um zwei bis drei Millionen Polen aus den Gebieten jenseits der Curzon-Linie unterzubringen, brauche man doch nicht die ausgedehnten Flächen bis zur Oder und Neiße, aus denen dann acht bis neun Millionen Deutsche zu vertreiben wären, argumentierte nun Churchill. Die polnische Regierung hielt jedoch, von Josef Stalin (1879–1953) unterstützt, an der Forderung nach der Oder-Neiße-Linie fest. Aus der Sackgasse, in die die Potsdamer Konferenz vor allem wegen des Streits um die Oder-Neiße-Grenze geriet, führte schließlich eine Paketlösung, in der die Briten und Amerikaner dieser Grenze und dem "Transfer" der Deutschen aus Polen, der Tschechoslowakei und zusätzlich aus Ungarn zustimmten und die Sowjets Konzessionen in Fragen der Reparationen und der Aufnahme Italiens in die Vereinten Nationen machten.34
Deportationen innerhalb der Sowjetunion 1943 bis 1950
Nach der Rückeroberung der 1941 verlorenen Provinzen im Westen und Süden ließ Stalin seit 1943 eine große Zahl von Ukrainern, Litauern, Letten und Esten in den hohen Norden und Osten deportieren, vor allem um den nationalen Widerstand gegen die Rückgliederung in die Sowjetunion auszutrocknen.35 Aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten sowie aus Rumänien, Ungarn und Jugoslawien verschleppte das Volkskommissariat des Innern (NKVD) noch während des Krieges etwa 450.000 deutsche Zivilisten, die ebenso wie die deutschen Kriegsgefangenen in Lagern leben mussten und zu schweren Arbeiten eingesetzt wurden. Allein bis zum 1. Februar 1946 starben 17 Prozent dieser "mobilisierten Internierten".36 Außerdem mussten mehr als 70.000 Rumäniendeutsche bis zu fünf Jahre Zwangsarbeit in Bergwerken und der Schwerindustrie der Ukraine leisten.37
Es gab aber auch Nationalitäten, die unter dem Vorwurf der Kollaboration mit den "deutschen Faschisten" in ihrer Gesamtheit nach Sibirien, Kasachstan und Zentralasien abtransportiert wurden. Ihre Wohnorte wurden von Einheiten des NKVD umstellt, die Familien in Viehwaggons an Verbannungsorte gebracht, die Rotarmisten der entsprechenden Nationalität aus der Armee entlassen und ebenfalls deportiert. Ihre autonomen Republiken und Gebiete wurden aufgehoben und anderen ethnischen Gruppen übergeben. Unter den betroffenen Völkern bildeten die Tschetschenen mit 388.000 Personen die größte, die Krimtataren mit über 192.000 Menschen die zweitgrößte Volksgruppe. Verschleppt wurden auch weitere muslimische Nationalitäten des Nordkaukasus. Schon auf der Fahrt und in den ersten Monaten der Verbannung starben viele Deportierten an Hunger, Durst und ansteckenden Krankheiten. Die buddhistischen Kalmücken stellten mit 93.000 Personen die drittgrößte Gruppe und hatten auf dem Weg und in der Verbannung die höchste Todesrate zu beklagen. Mitte 1944 wurden auch christliche Minderheiten der Krim ebenso wie muslimische Nationalitäten Südgeorgiens nach Osten deportiert.38 Ende 1945 lebten 2.343.000 Personen in sogenannten "Sondersiedlungen", die sie nur zum Arbeitseinsatz verlassen durften. Bei knapp der Hälfte von ihnen handelte es sich um Deutsche,39 die schon 1941 aus ihrer Heimat abtransportiert worden waren und mit Ausnahme der oben erwähnten Ukrainedeutschen keine Gelegenheit zur Kollaboration mit der Besatzungsmacht gehabt hatten. Unter den übrigen Völkern hat es zwar Kollaborateure gegeben, auch weil die deutsche Militärverwaltung Kirchen und Moscheen wiedereröffnet und Hoffnung auf die Rücknahme der Kollektivierung geweckt hatte. Allerdings ist nicht erkennbar, dass etwa Tschetschenen stärker als Ukrainer und Russen kollaboriert hätten.40
Vertreibung und Zwangsaussiedlung in Ostmittel- und Südosteuropa
Als die sowjetischen Truppen durch Polen nach Ostdeutschland vorrückten, war ein großer Teil der deutschen Bevölkerung – etwa sechs Millionen Menschen – von den deutschen Behörden evakuiert worden bzw. geflohen, doch vielen gelang die Flucht nicht. Diese erlebten eine Zeit der Schrecken: Besonders Soldaten der Roten Armee beraubten, vergewaltigten und ermordeten zurückgebliebene Deutsche, oft unter dem Einfluss von Alkohol. Im nördlichen Ostpreußen, das an die Sowjetunion fallen sollte, starben sehr viele Menschen an Hunger und Krankheiten, in Königsberg etwa zwei Drittel der zurückgebliebenen 70.000 Einwohner. Erst im Sommer und Herbst 1947 konnten die Überlebenden ausreisen.41
Schon seit den letzten Tagen des Januar 1945 waren immer mehr Flüchtlinge in ihre inzwischen von der sowjetischen und polnischen Armee besetzten Heimatorte zurückgekehrt. Nach dem Waffenstillstand am 8. Mai bemühten sich weitere Deutsche, nach Hause zu kommen. Bis zum 1. Juni überquerten etwa 400.000 Menschen die Oder und Neiße in östlicher Richtung, bis polnische Truppen die Übergänge sperrten. Die Tatsache, dass immer mehr Flüchtlinge zurückkamen, veranlasste die polnischen Behörden, die Aussiedlung zu beschleunigen. Schon am 26. Mai 1945 beschloss das Zentralkomitee (ZK) der Polnischen Arbeiterpartei, alle Deutschen innerhalb eines Jahres zu vertreiben und in den sogenannten "wiedergewonnenen Gebieten" noch im Sommer 1945 2,5 Millionen Polen anzusiedeln.42 Bei einem Teil der polnischen Neusiedler handelte es sich um polnische Flüchtlinge und etwa 1,3 Millionen Optanten43 aus den Gebieten hinter der neuen polnisch-sowjetischen Grenze.44
Mit sowjetischer Genehmigung begannen die polnische und die tschechoslowakische Regierung mit der Vertreibung der Deutschen, um noch vor der bevorstehenden alliierten Konferenz vollendete Tatsachen zu schaffen. Die Vertreibung aus Ostdeutschland begann oft frühmorgens; die Menschen bekamen vielfach nur 15 Minuten Zeit, ihre Häuser zu verlassen. Andernorts wurden die Deutschen zwei Wochen im Voraus informiert, wann sie ausgesiedelt werden sollten und was sie mitnehmen dürften. Es wurde berechnet, dass die militärischen und zivilen Behörden Polens im Juni und Juli 1945, das heißt vor der Potsdamer Konferenz, etwa 400.000 Deutsche vertrieben haben.45
Schon das Retributionsdekret des Präsidenten Beneš vom 19. Mai 1945 hatte die Deutschen und Magyaren als "staatlich unzuverlässig" bezeichnet. Auf der Grundlage dieses und weiterer Dekrete wurden nun ganze Personengruppen verhaftet und interniert, Deutsche und Magyaren zur Zwangsarbeit eingezogen, aus dem Land getrieben und ihr Eigentum konfisziert. Die Deutschen mussten sich durch ein aufgenähtes "N" (für "Němec": Deutscher) oder durch Armbinden zu erkennen geben. In Polen wurde diese Kennzeichnungspflicht nach kurzer Zeit wieder aufgehoben. Die Bewegungsfreiheit der Deutschen wurde durch verschiedene Ausgehverbote und Sperrstunden eingeschränkt. Neueste Schätzungen gehen davon aus, dass bis Ende September 1945 zwischen 700.000 und 850.000 Deutsche, die meisten von ihnen vor der Potsdamer Konferenz, vertrieben worden sind.46
Sowohl in den neupolnischen als auch den böhmischen Ländern entstand nach Kriegsende eine große Zahl von Lagern, die zur Konzentration von Deutschen und zur Isolierung sogenannter staatlich unzuverlässiger Personen dienen sollten. In den ersten Wochen und Monaten nach der Befreiung wurden Tausende von Menschen auch in Kasernen, Kinosälen und Gasthäusern, in geräumten öffentlichen Gebäuden und Schulen, in Lager- und Fabrikgebäuden, auf dem Land in Höfen, Speichern, Scheunen untergebracht. In der Mehrheit der Objekte herrschten nicht nur harte, sondern katastrophale Lebensbedingungen. Im Lager wurden dem Ankömmling alle Habseligkeiten abgenommen. Zwar sollten sie ihm beim Verlassen des Lagers zurückgegeben werden, doch sah die Wirklichkeit anders aus. Zu Diebstählen kam es auch in Wohnungen und verlassenen Bauernhöfen jener Menschen, die in Lagern zusammengezogen worden waren. Missbrauch von Vollmachten, Veruntreuung, Korruption und Akte öffentlicher Willkür waren keine Ausnahme. Die Zahl der Internierten wird für Polen auf 200.000 und für die böhmischen Länder auf 150.000 Personen geschätzt, unter denen sich viele Kinder befanden. Harte Arbeit bei unzureichender Ernährung und Hygiene, Prügel, Folter und Vergewaltigung machten das Leben in den Lagern zur Qual und kosteten vielen älteren Menschen und Kindern das Leben. Auch willkürliche Hinrichtungen wurden vollzogen. Die Drohung, in ein Lager eingewiesen zu werden, schwebte über jedem Deutschen. Die Enteignung, die Rechtlosigkeit, der Hunger trieb viele Deutsche dazu, sich um eine möglichst schnelle Ausreise aus dem polnischen und tschechoslowakischen Herrschaftsgebiet zu bemühen.47
In ihrem Abschlussprotokoll vom 2. August 1945 forderte die Potsdamer Konferenz eine "ordnungsgemäße und humane" Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei, Polen sowie Ungarn und empfahl die Einstellung weiterer Massenausweisungen, bis sich der Alliierte Kontrollrat für Deutschland mit der Aktion befasst habe. Noch am selben Tage wurden alle Deutschen und Magyaren aus der Tschechoslowakei ausgebürgert, die "nach den Vorschriften einer fremden Besatzungsmacht die deutsche oder ungarische Staatsangehörigkeit erworben haben". Ausgenommen waren nur diejenigen, die sich aktiv am Kampf für die Befreiung der Tschechoslowakei beteiligt oder unter dem NS-Terror gelitten hatten bzw. als Spezialisten und somit als unersetzlich galten.48 Die Mehrheit dieser "Antifaschisten" zog es jedoch vor, in die sowjetische bzw. die westlichen Besatzungszonen Deutschlands auszuwandern.49 Im Vergleich zur Tschechoslowakei wurde die sogenannte "Verifikation der nationalen Zuverlässigkeit" in Polen großzügiger gehandhabt, besonders in Masuren und in Oberschlesien. Dennoch meldeten sich dort auch viele der Verifizierten zur Aussiedlung, nachdem sie die Erfahrung gemacht hatten, dass sie doch nicht als gleichberechtigte Staatsbürger behandelt wurden.50
Am 20. November 1945 einigte sich der Alliierte Kontrollrat über die Verteilung der Vertriebenen aus der Tschechoslowakei, Polen und Ungarn auf die Zonen: In die US-Zone sollten 1.750.000, in die sowjetische Zone 750.000 Deutsche aus der Tschechoslowakei gebracht werden. Aus Polen sollten 1,5 Millionen in die britische, zwei Millionen in die sowjetische Zone deportiert werden. In ihren Richtlinien übertrug die tschechoslowakische Regierung die Leitung der Aussiedlung dem kommunistisch geführten Innenministerium, das die Aus- und Ansiedlung über seine Regionalen Besiedlungsämter in Zusammenarbeit mit den Nationalausschüssen, der Polizei und Armee durchführen sollte. Die Amerikaner bestanden darauf, dass nur komplette Familien abgeschoben würden, die pro Person 50 Kilogramm Gepäck, darunter Lebensmittel für drei Tage, sowie 1.000 Reichsmark mitnehmen konnten.
Während dieser Zwangsaussiedlung, die Ende 1945 bzw. Anfang 1946 wiederaufgenommen wurde, bemühten sich die Regierungen Polens und der Tschechoslowakei darum, weitere Plünderungen und tätliche Angriffe gegen die Vertriebenen zu verhindern. Auch während der "geregelten" Zwangsaussiedlung aus Polen in die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) seit Ende November 1945 zeigten sich die Behörden nicht imstande, die Ausgewiesenen mit Lebensmitteln zu versorgen und Willkürakte und den Raub des zurückgebliebenen Eigentums zu verhindern. Erst nach der Unterzeichnung eines Abkommens mit der britischen Rheinarmee vom 14. Februar 1946 begann die Aussiedlung in die britische Zone, die nunmehr stärker unter der Kontrolle der Staatsverwaltung stand. Die Deutschen sollten 24 Stunden vor der Aussiedlung informiert werden und das Recht haben, Lebensmittel, private Gegenstände, Dokumente und Geld mitzunehmen.51 Insgesamt etwa zehn Millionen Deutsche aus den alt- und neupolnischen Gebieten und drei Millionen Deutsche aus der Tschechoslowakei waren geflohen, wurden evakuiert oder vertrieben.
Zwar erreichte auch die ungarische Regierung die Zustimmung der Potsdamer Konferenz zur Aussiedlung der Deutschen, doch fürchteten die Sozialdemokraten und die Partei der Kleinen Landwirte negative Auswirkungen auf die magyarischen Minderheiten in den Nachbarstaaten. Das Zögern der ungarischen Regierung und die Begrenzung der Aufnahmequoten durch die Besatzungsbehörden führten schließlich dazu, dass weniger als die Hälfte der Ungarndeutschen tatsächlich ausgesiedelt wurden. In ihre Höfe und Wohnungen wies man magyarische Vertriebene aus Rumänien und der Slowakei ein.52
Am 21. November 1944 entzog der "Antifaschistische Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens" (AVNOJ) den Deutschen die bürgerlichen Rechte und konfiszierte ihr Eigentum. Der größte Teil der Jugoslawiendeutschen wurde allerdings noch vor dem Eintreffen der Partisanen und der sowjetischen Armee evakuiert. Die, die es nicht mehr geschafft oder sich zum Bleiben entschlossen hatten, erlebten eine Zeit mit schwerer Zwangsarbeit, Vergewaltigung, Folter und willkürlichen Exekutionen. Im Oktober 1945 begann Jugoslawien, die Volksdeutschen auszuweisen, doch nahmen die Besatzungsbehörden in Österreich und Deutschland damals nur wenige Transporte an, so dass die restlichen Deutschen erst 1948 abgeschoben werden konnten.53
Aber nicht nur die Deutschen waren von Flucht und Vertreibung betroffen, sondern auch andere ethnische Minderheiten wie die der Magyaren der Slowakei. Schließlich wurde ein Achtel von ihnen gegen Slowaken aus Ungarn ausgetauscht, ein anderer Teil ebenfalls unter Zwang in die böhmischen Länder umgesiedelt.54 Italiener aus Dalmatien, Istrien und Fiume (Rijeka) optierten für Italien, um Willkürakten der Partisanen und der kommunistischen Herrschaft zu entkommen.55 Die Regierungen Polens und der Sowjetunion vereinbarten den Austausch von Polen und Juden, die oestlich der neuen Grenze lebten, gegen Ukrainer und Weißrussen im übrigen Polen. Soweit sich die Ukrainer Polens dem Bevölkerungsaustausch mit der Sowjetunion entzogen hatten, wurden sie 1947 unter Zwang in den "wiedergewonnenen Gebieten" angesiedelt.56
Motive und Ziele
Die Vertreibungen und Deportationen waren unterschiedlich motiviert und verfolgten unterschiedliche Ziele, die sich allerdings in den meisten Fällen überschnitten. Eindeutig war das Ziel des NS-Staates: Ostmitteleuropa sollte in das "großgermanische Reich" eingegliedert werden, die Deportation "fremder" Völker Platz schaffen für die Ansiedlung von Deutschen und "rassisch" nahestehenden Gruppen.
Die präventiven Zwangsverschickungen vor dem Kriegseintritt der Sowjetunion sollten die Gefahr einer Zusammenarbeit der ethnischen Minderheiten in den Grenzgebieten sowie jener Nationalitäten, die sich an einem Mutterland außerhalb der Sowjetunion orientieren konnten, mit einem äußeren Feind verhindern.
Im Fall Polens, Ungarns, Jugoslawiens und der Tschechoslowakei spielte das Motiv eine wichtige Rolle, die landwirtschaftliche "Überschussbevölkerung" der eigenen Nation mit zusätzlichem Boden der Vertriebenen auszustatten. Schon das Manifest des Lubliner Komitees vom 22. Juli 1944 kündigte die Schaffung eines Bodenfonds an, aus dem Land an landarme und landhungrige Bauern verteilt werden sollte. In diesem Zusammenhang wurde die Ähnlichkeiten zwischen der Raumplanung der Nationalsozialisten und der polnischen Regierung hervorgehoben.57 Die tschechoslowakische Regierung wollte besonders slowakischen Bauern Land der Deutschen und Magyaren anbieten,58 die ungarische die Flüchtlinge und Vertriebenen aus Siebenbürgen und der Slowakei,59 die jugoslawische besonders verdiente Partisanen unterbringen.60
Ein weiteres Motiv war der Wunsch nach Vergeltung für tatsächliche oder angebliche Kollaboration. Als Strafdeportationen bezeichnete die Sowjetführung die Umsiedlungen in der Endphase des Krieges und der unmittelbaren Nachkriegszeit.61 In und nach dem Krieg hatte ein antideutscher Radikalismus praktisch alle Schichten der tschechischen, polnischen und jugoslawischen Bevölkerung erfasst. In den ersten Wochen schürten Politiker und Generäle noch das Bedürfnis nach Vergeltung. Am 17. April 1945 rief die neue tschechoslowakische Regierung die Bevölkerung auf, sich an den Deutschen für ihre Bestialitäten zu rächen und kein Erbarmen mit den deutschen Feinden zu haben.62 Für Beneš war die Vertreibung eine Antwort auf die Politik der Sudetendeutschen Partei seit 1935 und ihren haushohen Wahlsieg (85 Prozent) bei den Kommunalwahlen im Jahre 1938. Bei der Eröffnung der Nationalversammlung am 28. Oktober 1945 erklärte er: "Heute ist klar, dass von 1934 an im vollen Einvernehmen mit Hitler und in voller Verantwortung der großen Mehrheit unserer Deutschen die Zerrüttung unseres ganzen Staates vorbereitet wurde ...".63 Der Befehlshaber der 2. Polnischen Armee wies seine Soldaten am 24. Juni 1945 an, mit den Deutschen "so umzugehen, wie diese es mit uns getan haben", so dass "die Deutschen von selbst fliehen und Gott danken, dass sie ihren Kopf gerettet haben".64 In beiden Staaten fanden die Nürnberger Prozesse sowie die Verfahren gegen Spitzenfunktionäre der Besatzungsverwaltung und KZ-Aufseher im eigenen Land, die zum Teil öffentlich hingerichtet wurden, starken Widerhall.
Deutsche Flüchtlinge berichteten aber auch, dass sich ortsansässige Polen gleichgültig oder sogar hilfsbereit verhielten. Denn die Angst vor der Zukunft unter sowjetischer und kommunistischer Herrschaft lasse den Hass auf die Deutschen in den Hintergrund treten.65 Besonders tschechische Altsiedler traten dafür ein, bestimmten Deutschen, oft solchen, mit denen sie verwandt waren, die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft zu verleihen und die Deutschen ordentlich zu behandeln, im Gegensatz zu den meisten Neusiedlern, die Anspruch auf die Höfe, Wohnungen und Betriebe der Deutschen erhoben.66
Für die Staaten im Machtbereich der beiden faschistischen Mächte stand die Schaffung national möglichst homogener Staaten im Vordergrund. Auch die polnische und tschechoslowakische Propaganda der ersten Nachkriegsmonate weist auf dieses zentrale Ziel der Zwangsaussiedlung hin. Der tschechoslowakische Ministerpräsident bezeichnete die "Säuberung" der Republik von den Deutschen wenige Tage nach Kriegsende als Lösung eines Problems, das "tausend Jahre auf unserem Volk lastete".67 Am 28. Oktober 1946, dem Jahrestag der Staatsgründung, stellte Präsident Beneš auf einer feierlichen Kundgebung auf dem Prager Wenzelsplatz fest, dass der Staat nunmehr ein Nationalstaat der Tschechen und Slowaken sei.68 Der polnische Ministerpräsident forderte noch vor Kriegsende: "Wir müssen in erster Linie zur Zerschlagung unseres ewigen deutschen Feindes beitragen, ihm die uns in verschiedenen Perioden der Geschichte geraubten Länder im Norden und Westen wegnehmen." Polen wolle einen "polnischen Nationalstaat, und keinen Nationalitätenstaat bauen", sagte der kommunistische Bevollmächtigte für Oberschlesien.69
Grundlage der Konzeption der nationalen Homogenisierung bildeten erstens die Konflikte zwischen den Nationalstaaten der Vorkriegszeit und ihren Minderheiten, und zwar vor allem, aber nicht nur mit den deutschen Minderheiten. Der Hitler-Stalin- und der Grenz- und Freundschaftsvertrag und die folgenden Eroberungen hatten Deutschland und der Sowjetunion zweitens die Möglichkeit gegeben, in ihren Besatzungsgebieten umfangreiche Deportationen vorzunehmen. Eine Rückkehr zum Minderheitenschutz des Völkerbunds hielt drittens nach den grausamen Erfahrungen unter deutscher Besetzung kaum jemand für möglich. Und schließlich ist festzuhalten: Ohne Krieg und Besatzung wären zwar die Deportationen innerhalb der Sowjetunion, nicht aber im übrigen Europa möglich gewesen.