Einführung
"Mission" als universale und transkulturelle Verbreitung des Glaubens stellte von Anfang an ein wesentliches Merkmal des Christentums dar und prägte in ihren vielfältigen Realisationsformen, die von der kapillaren Verbreitung im Nahbereich über die Mikrokommunikation in Netzwerken bis zur professionellen Verkündigung durch ausgebildete Missionare reichen, alle Jahrhunderte und Epochen.
Der hier behandelte Zeitraum der Neuzeit umfasst mit seinen fünfhundert Jahren (1450–1950) nur ein Viertel der gesamten Missionsgeschichte des Christentums und zeichnet sich durch eine vornehmlich von Europa ausgehende, transkontinentale Ausbreitung des Christentums nach Amerika, Asien und Afrika aus.1 Doch schon in den zeitlich vorangehenden Epochen hatten sich in den verschiedenen Kulturräumen unterschiedliche Formen der interkulturellen Kommunikation und Interaktion herausgebildet, auf denen die Neuzeit aufbauen konnte. Grundlage und Voraussetzung für die neuzeitliche, von Europa ausgehende transkontinentale Missionsbewegung war die Verwurzelung des Christentums auf dem europäischen Kontinent und die Einheit der Westkirche mit ihrem Zentrum in Rom.
Auf dem europäischen Kontinent verbreitete sich das Christentum in einem etwa tausendjährigen Prozess, der von der Spätantike bis ins späte Mittelalter dauerte. Er erfasste mit vielfältigen Missionsmethoden (z.B. friedliche Mission, Zwangsmission, Stammesbekehrung von oben) alle europäischen Völker, von Griechenland bis Skandinavien und Island, von Irland im äußersten Westen bis zu den westslawischen und baltischen Völkern in Osteuropa. Dieser Prozess brachte die europäische Christenheit hervor, die nun in abgestufter Weise ihrerseits missionarisch über die Grenzen hinauswirkte, wobei die religiösen Missionsunternehmen zumeist in die machtpolitisch und ökonomisch bestimmten europäischen Expansionsbestrebungen nach Übersee eingebunden waren.2 Es handelt sich um einen Prozess der Globalisierung, verstanden als Verdichtung von Raum und Zeit, der in der Frühen Neuzeit mit den iberischen Mächten Portugal und Spanien begann und der später von anderen maritimen Mächten Europas und Amerikas fortgeführt wurde.
Vom östlichen Mittelmeerraum ausgehend, erstreckte sich die missionarische Dynamik des Christentums nicht nur nach Westen, sondern auch nach Osten. So entfaltete das orientalische Christentum, vor allem die Apostolische Kirche des Ostens mit späterem Sitz in Bagdad, eine der Westkirche vergleichbare Missionsbewegung in östlicher Richtung, die nach Persien und Indien, über die Routen der Seidenstraße auch nach Zentralasien und China gelangte. Allerdings konnte sich dieses östliche Christentum nicht so flächendeckend einwurzeln wie das westliche, wohl auch aufgrund mangelnder Inkulturationsfähigkeit und fehlender Unterstützung durch die weltliche Obrigkeit, sondern verlor aus verschiedenen Gründen an Bedeutung und überlebte in der Neuzeit nur fragmentarisch.3
Terminologisch wurde in der Frühen Neuzeit eine neue Begrifflichkeit geprägt, welche die mittelalterliche ablöste und schnell in den allgemeinen Sprachgebrauch einging. Weder Spätantike noch Mittelalter kannten einen einheitlichen Begriff, sondern verwendeten vielfältige Umschreibungen der gemeinten Sache. So sprechen die Quellen von der "Verkündigung des Evangeliums" (promulgatio Evangelii) oder der "Verbreitung des Glaubens" (propagatio fidei). Aber auch von der "Predigt unter den Völkern" (praedicatio gentium), der Sorge um das Heil (De procuranda salute), der "Bekehrung der Ungläubigen" (conversio infidelium) oder von der "evangelischen Arbeit" (labor evangelicus) ist die Rede. Der im frühen jesuitischen Milieu entstandene Neologismus "Missio" bezeichnete zunächst die persönliche oder institutionelle Sendung durch eine kirchliche Autorität, davon abgeleitet in der Pluralbildung auch die Unternehmen und die territorialen Zielgebiete ("Missionen"). So wurde er zum Terminus technicus, der bald in die offizielle Sprachregelung und in die theologische Literatur Eingang fand, bis er schließlich auch ökumenisch und historisch rezipiert, nach der Dekolonisation in der Mitte des 20. Jahrhunderts jedoch zunehmend negativ konnotiert wurde.4
Die wachsende Gemeinsamkeit im Begrifflichen darf freilich nicht über die konfessionellen Unterschiede in der Missionspraxis und der Missionstheorie hinwegtäuschen, die eng mit den politischen und kirchlichen Rahmenbedingungen der Zeit zusammenhingen. Im Zeitalter der Entdeckungen an der Epochenschwelle zur Neuzeit entfaltete sich im Rahmen der Katholischen Kirche eine dynamische Missionstätigkeit, welche die neuen Seewege um Afrika herum nach Asien und über den Atlantik nach Amerika nutzte. Sie vollzog sich im Rahmen der Expansion und des Patronats über die Kirche, der den Herrschern auf der iberischen Halbinsel vom Papst zugesprochen worden war und diese zum Aufbau der Kirche und zur Finanzierung des Missionswesens in den neu entdeckten Ländern verpflichtete, aber auch zur Aussendung von guten und gebildeten Missionaren. Diesen Auftrag, den die katholischen Monarchen der iberischen Seemächte auch persönlich ernst nahmen, hätten sie allerdings kaum erfüllen können, wenn es nicht die hoch motivierten, gut ausgebildeten und asketisch lebenden Mitglieder zahlreicher Orden gegeben hätte, die sich die Aufgabe der Mission zu eigen gemacht hatten. Diese zunächst ausschließlich männlichen Religiosen (Ordensmitglieder) gehörten den Mendikantenorden der millenaristisch gestimmten Franziskaner (Ordo Fratrum Minorum) und der Dominikaner (Ordo Praedicatorum) an, aber auch den Augustinern, Kapuzinern, Merzedariern und Karmelitern. Besonders wichtig war der erst 1540 neu gegründete Orden der Jesuiten (Societas Iesu), der in Asien und Amerika eine missionarisch innovative Rolle spielte.
Demgegenüber entfalteten die aus der Reformation hervorgegangenen Konfessionen trotz einzelner Ansätze während der beiden ersten Jahrhunderte keine größeren missionarischen Initiativen. Als ursächlich dafür werden die binnenländische Lage und die Abschaffung der Orden, aber auch theologische Gründe genannt, die den "Missionsbefehl" (Matthäus 28,18–20) als von den Aposteln erledigt oder aufs Kirchspiel beschränkt sahen. Die evangelische Weltmission erwachte, als ähnliche institutionelle Rahmenbedingungen und personelle Ressourcen wie im Katholizismus zur Verfügung standen. Erlebte dieser am Ende des 18. Jahrhunderts wie die iberischen Mächte einen Niedergang, expandierten die protestantischen Seemächte wie Holland, England und Dänemark zunehmend nach Übersee und wurden zu konkurrierenden Kolonialmächten. Unter diesen Voraussetzungen konnten auch protestantische Missionsunternehmen entstehen, beginnend mit dem kurzlebigen Seminarium Indicum in Leiden (1622), das von dem privilegierten Handelsunternehmen der niederländischen Vereinigten Ostindischen Compagnie (VOC) unterhalten wurde. Daneben entwickelten Erweckungsbewegungen wie die Pietisten oder die Herrnhuter Brüdergemeine Interesse an der Mission. Koloniales und religiöses Interesse verbanden sich beispielhaft in der Dänisch-Englisch-Halleschen Mission in Südindien mit ihrem pietistischen Protagonisten Bartholomäus Ziegenbalg (1682–1719)[]. Als Träger des Missionsgeschehens bildeten sich neben der Idee von wissenschaftlichen Societäten (Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716)) oder missionierenden Gemeinden (Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768–1834)) ab dem Ende des 18. Jahrhunderts Missionsgesellschaften heraus, wie die in London gegründete Society for the Propagation of the Gospel in Foreign Parts (1701). Die missionarischen Bemühungen der Konfessionen erreichten im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen Höhepunkt, als die zahlreich gewordenen protestantischen Missionsgesellschaften und die katholischen Orden und Missionsgesellschaften vor allem in Afrika, Asien und Ozeanien aktiv waren, meist unter dem politischen Schutzschild der europäischen Kolonialmächte, allen voran England und Frankreich, aber auch Deutschland und Italien.
Was die Missionstätigkeit der russisch-orthodoxen Kirche angeht, verband sie sich in der Mitte des 16. Jahrhunderts mit der Expansion nach Süden und der Eroberung der Tataren-Khanate um Kazan und Astrachan durch Ivan IV. den Schrecklichen (1530–1584) und einer gewissen Zwangschristianisierung der muslimischen Bevölkerung. Auch bei der Expansion nach Osten im 18. Jahrhundert stand die Mission weitgehend unter staatlicher Oberhoheit, als Zar Peter I. der Große (1672–1725) die Erkundung Sibiriens vorantrieb und als unter der Zarin Katharina II. (1729–1796)[] bei Expeditionen nach Ostsibirien Alaska entdeckt wurde. Dort wurde 1794 die Alaska-Mission errichtet, die auch linguistische und naturwissenschaftliche Aufgaben (Meteorologie) wahrnahm und die nach dem Verkauf Alaskas an die Vereinigten Staaten von Amerika (1867) in die orthodoxe Mission in Nordamerika überging. Einer der größten Missionare, der auf den Aleuten, in Alaska und an der Westküste der USA wirkte, war Ivan Veniaminov (1797–1879), der die Verschriftung einheimischer Sprachen und die Übersetzungen von Bibel und Liturgie vorantrieb. Er wurde später Erzbischof von Jakutsk und gründete als Metropolit Innokentij von Moskau (1868) eine Orthodoxe Missionsgesellschaft (1870), die am Anfang des 20. Jahrhunderts Missionen in Sibirien, im europäischen Teil Russlands und in Japan unterhielt. Insgesamt bezog sich das missionarische Wirken der russischen Orthodoxie innerhalb des Reiches auf islamisch geprägte Gebiete (etwa Tataren, Burjaten), auf Westsibirien (Altaigebiet) und auf Ostsibirien unter Einschluss Alaskas; außerhalb Russlands führten missionarische Impulse nach Persien, Korea, China und Japan sowie nach Nordamerika. Mit der russischen Revolution von 1917 und der folgenden Unterdrückung der orthodoxen Kirche endete die Missionstätigkeit, wenngleich die eingepflanzten orthodoxen Kirchen in der Regel weiterexistierten.
Epochale Kontexte und missionarische Interaktion
Die missionarisch motivierte Interaktion galt in der Neuzeit kaum mehr den europäischen Ländern untereinander, wenn man von den Bemühungen um konfessionelle Bekehrungen absieht. Vielmehr weitete sich der Interaktionsraum derart, dass im Lauf der Neuzeit religiöse Beziehungen zu allen übrigen Kontinenten und Regionen aufgebaut und vertieft wurden, das heißt zu Afrika, Amerika und Asien sowie zu Australien und Ozeanien. In dieser Epoche des Wandels von der europäischen Christenheit (orbis christianus) zu einem in allen Weltteilen verwurzelten Christentum sind die missionarischen Bemühungen der verschiedenen christlichen Konfessionen insgesamt als eigenständiger Faktor im Prozess der Modernisierung und Globalisierung zu gewichten, auch wenn sie meist in politische Rahmenbedingungen oder wirtschaftliche Interessenlagen eingebunden waren und dort nicht selten eine legitimatorische Funktion einnahmen.
Vorbereitet durch die kulturgeschichtliche Epoche der Renaissance, in der neue Erfindungen wie die Zentralperspektive künstlerisch und philosophisch die Freiheit und Würde des neuzeitlichen Subjekts begründeten – Pico della Mirandola (1463–1494) gibt davon Zeugnis – wuchs mit den Erkundungsfahrten der Portugiesen nach Osten und der Spanier nach Westen und durch die Wahrnehmung neuer Welten eine erneuerte Motivation zur Mission, die durch die humanistische Reform asketische und wissenschaftliche Bildung erfuhr. Der Sinn für Mission gewann nicht zuletzt an Dynamik durch die Erkenntnis so vieler bisher unbekannter Völker und der ungetauften Menschen, die den vom Augustinismus geprägten Vorstellungen der Epoche zufolge der Gefahr der Verdammung ausgesetzt waren, wenn sie nicht in der "elften Stunde" (vgl. Matthäus 20,6) gerettet würden: "Niemals zuvor war einer anderen Religion die Möglichkeit zuteil geworden, auf einen so großen Teil der Menschheit Einfluß zu gewinnen" – so ein Urteil über die "drei Jahrhunderte des Fortschritts" in der Ausbreitung des europäischen Christentums zwischen 1500 und 1800.5
Mission in Asien
Auf dem Weg nach Osten und auf der Suche nach lukrativen Handelsbeziehungen umsegelten portugiesische Seefahrer den afrikanischen Kontinent und stießen 1482 auf das Mündungsgebiet des Kongo und das in der Nähe angesiedelte altafrikanische Königreich, dessen Herrscher, der Mani-Kongo, sich der Taufe unterzog und damit die Christianisierung des Reiches einleitete.
Der Ausbreitung des portugiesischen Handelsimperiums mit seinen Niederlassungen im asiatischen Raum (Estado da Índia) folgten unter dem Schirm der königlichen Schutzherrschaft (padroado) über die Kirche die Missionare, wobei Goa (Indien) und später Macao (China) zu politischen und kirchlichen Zentren wurden. Von dort erstreckte sich die Missionstätigkeit nicht nur auf den indischen Subkontinent, sondern auch in den ostasiatischen Raum bis nach China und Japan. Protagonist der frühneuzeitlichen Mission nach Asien war der 1540 entsandte Jesuit Francisco Javier (Franz Xaver, 1506–1552)[], dessen Korrespondenz die interkulturelle und interreligiöse Begegnung mit dem indischen Hinduisimus, dem südostasiatischen Islam und dem buddhistischen Japan widerspiegelt.6
Im asiatischen Raum stießen die christlichen Missionare meistens auf entwickelte Hochkulturen und -religionen, so dass zahlreiche Missionsprojekte eine weitgehende Anknüpfung an die jeweiligen Kulturen suchten. Hier sind vor allem die katholischen Initiativen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert zu nennen, die exemplarisch in den Kulturen Indiens, Japans und Chinas stattfanden und nicht nur eine äußerliche Anpassung an den kulturellen Kontext suchten, sondern auch eine innere Interkulturalität des geistigen Austauschs und Dialogs. Protagonisten sind italienische Missionare wie Alessandro Valignano (1539–1606) (Japan), Matteo Ricci (1552–1610) (China) und Roberto de Nobili (1577–1656) (Südindien), deren (natur-)wissenschaftliche Ausbildung auf der damaligen Höhe der Zeit zum Missionskonzept gehörte und sie auf besondere Weise zum Kulturkontakt befähigte. Interaktionspartner der Missionare, die in China eine Konversion "von oben" anstrebten, waren konfuzianische Gelehrte oder Staatsbeamte. Bisweilen spielte sich die Interaktion auf höchster Ebene ab, wenn man zum Beispiel im 17. Jahrhundert an das väterliche Verhältnis von Adam Schall von Bell (1592–1666) zum jungen Ming-Kaiser Shun-zhi (1638–1661) denkt oder an die freundschaftliche Beziehung von Ferdinand Verbiest (1623–1688) zum großen Quing-Kaiser Kangxi (1654–1722).
Die kirchlichen Bestrebungen, die Mission aus den kolonial-staatlichen Bindungen des Patronats zu lösen und wieder zu primär religiösen Unternehmen zu machen, fanden ihren Höhepunkt in der Gründung der römischen Kongregation De propaganda fide (1622), die den Prozess der Entkolonialisierung und Enteuropäisierung der Mission einleitete, was allerdings Jahrhunderte in Anspruch nahm.
Ab dem 18. Jahrhundert sind im asiatischen Raum auch protestantische Missionsunternehmen zu verzeichnen, deren Wirken eng mit dem Aufstieg der protestantischen Seemächte Holland, England und Dänemark und dem ihrer privilegierten Handelsgesellschaften, wie etwa der englischen East India Company, verbunden war. Entscheidende Bedeutung für die Missionstätigkeit hatten die Missionsgesellschaften und ihre Missionare, die als Pioniere wirkten, nicht zuletzt auf dem Gebiet der Sprachforschung und der Bibelübersetzung. Eine Vielzahl von Missionsgesellschaften entstanden im 19. Jahrhundert, in dem allein im anglophonen Raum mehr als fünfzig Gründungen zu verzeichnen sind, darunter auch US-amerikanische wie der aus einem Bund von Collegestudenten hervorgegangene American Board of Commissioners for Foreign Missions (1810).
Eine Sonderrolle im asiatischen Raum spielten die Philippinen, die 1571 für die spanische Krone erobert und nach dem spanischen König benannt worden waren. Schon bald darauf setzte die unter dem königlichen Patronat stehende Missionierung durch verschiedene Ordensgemeinschaften ein, die an die in Amerika üblichen Methoden anknüpften, deren Fehler jedoch zu vermeiden suchten und den Schutz der Bevölkerung mit dem Aufbau von Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen verbanden. Die Mission führte zu einer fast vollständigen Christianisierung des Archipels, abgesehen von muslimischen Gebieten auf der südlichen Hauptinsel Mindanao. Die Unabhängigkeitsbewegung am Ende des 19. Jahrhunderts, an der auch Teile des einheimischen Klerus beteiligt waren, führte einerseits zu abgespaltenen unabhängigen Kirchen und andererseits zum Beginn der protestantischen Mission, ausgelöst durch die Okkupation der Philippinen durch die USA im spanisch-amerikanischen Krieg (1898), die der amerikanische Präsident nicht zuletzt mit der "Christianisierung" des Landes begründete.
Eroberung und Missionierung Amerikas
In Amerika vollzog sich in der Frühen Neuzeit die Mission im Windschatten der europäischen Expansion, im Unterschied zu Asien allerdings als flächendeckende Conquista (Eroberung) von Ländern oder Regionen, die den Reichen der iberischen Mächte eingegliedert wurden. Daher kam es auch zur Verbindung von Schwert und Kreuz, von wirtschaftlicher Nutznießung und religiösem Auftrag, eine Verbindung, die die europäische Entdeckung, Eroberung und Inbesitznahme der Neuen Welt bestimmte.
Im Vertrag von Tordesillas (1494)hatten sich die beiden rivalisierenden iberischen Mächte unter päpstlichem Einfluss auf eine völkerrechtlich verbindliche Demarkationslinie zwischen ihren Interessensphären geeinigt und sie auf den 46. Grad westlicher Länge (370 leguas [= ca. 1180 moderne Seemeilen] westlich der Kapverdischen Inseln) festgelegt. Damit fiel der größte Teil Mittel- und Südamerikas an die spanische Krone, während Portugal das 1500 von Pedro Alvares Cabral (1468–1520) entdeckte Brasilien beanspruchte. Überdies begründeten päpstliche Bullen den Patronat der spanischen (patronato) und der portugiesischen Krone (padroado) über die Kirche. Mit der Verleihung dieses Missionsmonopols waren Rechte und Pflichten verbunden. So war die spanische Krone für den Aufbau der kirchlichen Organisation und das Missionswerk in der Neuen Welt zuständig und erhielt das Recht, zur Finanzierung dieser Aufgaben den Kirchenzehnten einzuziehen. Der weitreichende Universalpatronat, den der spanische König durch die Bulle Universalis ecclesiae (1508) von Papst Julius II. (1443–1513) erlangte, umfasste das Recht auf Ernennung von Bischöfen (Nominationsrecht), das Recht auf Auswahl und Aussendung von Missionaren sowie das Recht auf Einrichtung von Bistümern. Der spanische König übte seine Rechte und Pflichten seit 1524 durch eine Zentralbehörde aus, den von Karl V. (1500–1558) gegründeten Indienrat (Real y Supremo Consejo de Indias) in Sevilla, der nicht nur für die Justiz-, Zivil-, Finanz-, und Militärverwaltung zuständig war, sondern auch für die Kirchenorganisation und damit die Mission, wobei die Logistik über die in Sevilla installierte Casa de Contratación abgewickelt wurde. Funktional war die Missionierung, die intentional der Wahrnehmung eines religiösen Auftrags entsprang, "ein zentrales Instrument zur Integration der Indianer in eine spanisch geprägte Herrschafts- und Gesellschaftsordnung".7 Allerdings entwickelte die Mission eine herrschaftskritische Eigendynamik, wie der philosophisch-theologische Diskurs um die Rechtstitel der spanischen Anwesenheit in Amerika belegt, an dem maßgeblich kirchliche Protagonisten wie die Zeitgenossen Bartolomé de Las Casas (1484–1566) und Francisco de Vitoria (1483–1546) beteiligt waren.
Praktische Träger der kolonialen Mission in Amerika waren vor allem die relativ eigenständigen und übernational organisierten Orden, darunter an erster Stelle die seit dem hohen Mittelalter in Asien und Nordafrika erfahrenen Franziskaner, die vom 16. bis 18. Jahrhundert mehr als die Hälfte der gut 15.000 Missionare entsandten, gefolgt von den gerade gegründeten Jesuiten und den Dominikanern. Die Orden gründeten äNordmexiko, auch als Frontier-Einrichtungen fungierten. In den kolonialen Städten dienten Schulen (Kollegien) der Bildung auch der indigenen Bevölkerung und der Ausbildung von Missionaren.
Interaktionspartner der Missionare, die ihre Tätigkeit als conquista espiritual verstanden, waren die unterschiedlichen Völkern und Ethnien angehörenden indianischen Bevölkerungen Amerikas, die auf verschiedenen Kulturstufen lebten: von den Taino auf den karibischen Inseln, auf die Kolumbus stieß, bis zu den Tupí, den Guaraní und den Mapuche im südlichen Amerika. Neben den als nomadische Wildbeuter lebenden Indianern existierten zur Zeit der Entdeckung auch hochorganisierte Gemeinwesen, wie die beiden altamerikanischen Großreiche der Azteken in Mexiko mit der Hauptstadt Tenochtitlán und der Inka im Andengebiet Südamerikas mit den Hauptstädten Cuzco (Südreich) und Quito (Nordreich). Beide Großreiche fielen nach kurzem Widerstand den spanischen Eroberern in die Hände, wozu nicht zuletzt die technologische Überlegenheit durch Feuerwaffen und Reittiere, Schrift und Rad sowie die hermeneutische List der Eroberer beitrugen. Nicht nur die militärischen Konfrontationen, sondern auch und vor allem schwere Epidemien aufgrund des fehlenden Immunschutzes der Indianer gegenüber Krankheitserregern aus Europa führten zu einer starken Dezimierung der indigenen Bevölkerung. Gegenüber den konfrontativen Interaktionen der Konquistadoren und encomenderos (Großgrundbesitzer), nahmen die Missionare die Indianer in der Regel in Schutz und entwickelten friedliche Begegnungsweisen.
Im Hintergrund standen unterschiedliche Sichtweisen auf die fremden Anderen, die den einen nach dem ethnozentrischen Schema als inferiore "Barbaren" galten, den anderen dagegen als freiheitsbegabte Menschen. Die Kolonialdebatte im 16. Jahrhundert zwischen Juan Ginés de Sepúlveda (1490–1573) und dem Bischof Bartolomé de Las Casas8 spiegelt diese Positionen, wobei die Mehrheit der Missionare pro-indianisch eingestellt war und die Krone zum Schutz der Indios legislativ tätig wurde. Mit ihrer Anklage der kolonialen Ausbeutung und ihren konstruktiven Vorschlägen zu deren Behebung wurden die Missionare zu Inspiratoren der Schutzgesetze für die Indianer (Recopilación de las Leyes de Indias).
In Nordamerika setzte die Mission auf unterschiedliche Weise später ein, so im 17. Jahrhundert im heutigen Kanada, der französischen Kronkolonie Nouvelle France, die katholische Mission unter den indianischen Stammesgesellschaften wie den Algonkin, Huronen und Irokesen. Auch in den südlicher gelegenen englischen Kolonien an der Ostküste verbanden sich bei den eingewanderten Puritanern Kolonisierung und Verdrängung, aber auch missionarischer Eifer, wie das mit königlicher Charter an die Massachusetts Bay Colony (1628) verliehene Siegel zeigt.
Puritaner wie John Eliot (1604–1690) gründeten in Massachusetts christliche Indianerdörfer, der Quäker William Penn (1644–1718) förderte in Pennsylvania das friedliche Zusammenleben von Europäern und Indianern, der Baptist Roger Williams (1604–1683) propagierte in Rhode Island die Religionsfreiheit, wie auch Andrew White (1579–1656) im katholischen Maryland erfolgreiche Missionsarbeit leistete.
Neue Missionsbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert
Im Zeitalter der Aufklärung erlebte die christliche Mission aus inneren und äußeren Gründen eine Schwächung, da einerseits politische und kulturelle Wandlungen zu skeptischen oder ablehnenden Einstellungen zur Religion generell und zu ihrer Verbreitung im Besonderen führten und andererseits Säkularisationsprozesse die personellen und materiellen Ressourcen schmälerten oder entzogen. Doch das darauf folgende 19. Jahrhundert führte zu einem neuen kirchlichen Aufschwung und sollte für Katholizismus und Protestantismus gleichermaßen zu einem "Missionsjahrhundert" (Gustav Warneck (1834–1910)) werden.
Die neue Missionsbewegung fand ihren Ausdruck darin, dass mit der Gründung protestantischer Missionsgesellschaften und katholischer Missionskongregationen und -institute neues Missionspersonal und finanzielle Mittel zur Verfügung standen.9 Für den deutschsprachigen Raum sei exemplarisch nur an die 1815 gegründete Basler Missionsgesellschaft und die Rheinische Missionsgesellschaft (1828) oder an die Societas Verbi Divini (1875) der Steyler Missionare erinnert. Dabei erscheint bemerkenswert, dass zahlreiche Gründungen dieser Art auf private Initiativen einzelner Personen zurückgingen, darunter viele Frauen. Dadurch erhielt die Mission zum ersten Mal in der Geschichte auch ein weibliches Gesicht. Nicht zuletzt diese Innovation führte auch zu einem ganzheitlicheren Verständnis der missionarischen Tätigkeit, da neben der Verkündigung auch Bildung und Gesundheit eine zunehmende Rolle spielten. Der Aufbruch führte zugleich zu einer internationalen Erweiterung, da nicht nur zahlreiche europäische Länder, am stärksten wohl Frankreich, Italien, England, die Niederlande, die deutschsprachigen und die skandinavischen Länder, an den Neugründungen beteiligt waren, sondern auch die Vereinigten Staaten von Amerika, wenn man etwa an die Catholic Foreign Mission Society of America (1911) denkt.
Adressaten dieser und anderer missionsbezogener Institutionen waren die asiatischen Länder sowie Australien und die Archipele Ozeaniens,10 vor allem aber der schwarze Kontinent.11 Afrika wurde erst im 19. Jahrhundert von den Europäern wissenschaftlich und wirtschaftlich erkundet, wobei Erforschung und Missionierung oft Hand in Hand gingen wie bei dem Schotten David Livingstone (1813–1873), der als erster Europäer eine Ost-West-Durchquerung auf der Höhe des Sambesi vornahm. Zu den Rahmenbedingungen der Mission gehörte die fast restlose politische Aufteilung Afrikas unter die europäischen Kolonialmächte, allen voran Frankreich und England, die auf der Berliner Kongo-Konferenz (1884/1885) festgeschrieben wurde. Daher verstanden sich die christlichen Missionare, die in konfessionellen Parallelaktionen in den Kontinent eindrangen (die katholische zentral gelenkt, die protestantische weniger koordiniert), als Kulturpioniere im Sinn der Kolonialpolitik. Ihre Interaktionspartner waren die zahlreichen Völker und Ethnien Afrikas, deren unzählige Sprachen allein fünfzehn großen Sprachgruppen zuzuordnen sind und deren animistische Stammesreligionen durch das Christentum und den Islam eine starke Konkurrenz bekommen hatten, die außerdem noch miteinander in Wettstreit stand.
Nach dem ersten Weltkrieg neigte sich diese Phase der kolonialen Verquickung der Mission allmählich ihrem Ende zu, kam aber erst in der Dekolonisation der 50er und 60er Jahre zum Abschluss.12 Auf protestantischer Seite spiegelte die große Missionskonferenz von Edinburgh (1910) noch ein stolzes Bewusstsein der eigenen Kraft und des Kairos, der gesamten nichtchristlichen Welt im Sturmschritt das Evangelium zu bringen, während die Weltmissionskonferenzen nach dem ersten Weltkrieg die eurozentrische Sichtweise (1928) und die Aufteilung der Welt in christliche und nichtchristliche Länder aufgaben (1947). Auf katholischer Seite setzte die Missionsenzyklika Maximum illud (1919) von Papst Benedikt XV. (1854–1922) neue Akzente, indem sie Kolonialismus und Nationalismus verurteilte und für eine stärkere Einwurzelung der Kirche einschließlich eines einheimischen Klerus plädierte. Schließlich spiegeln zahlreiche Romane afrikanischer Schriftsteller den Prozess der Christianisierung in Afrika mit seinen positiven und problematischen Seiten; exemplarisch seien die Werke des Nigerianers Chinua Achebe (1930–2013) Okongwo oder Das Alte stürzt (Things Fall Apart, 1959) und des Kameruners Mongo Beti (eigentlich Alexandre Biyidi–Awala, 1932–2001) Der arme Christ von Bomba (Le pauvre Christ de Bomba, 1967) genannt.
Auch wenn die christliche Mission in den Kolonialismus und Imperialismus der europäischen Mächte funktional eingebettet war, so ist doch auch ihr Beitrag zum Wohl und zur Entwicklung der Völker zu würdigen; denn mit der Glaubensverbreitung war die Sorge um den ganzen Menschen verbunden, so dass in aller Regel der Aufbau eines wenigstens rudimentären Gesundheits- und Bildungswesens integraler Bestandteil der Aktivitäten war; die Ausbildung einer "ärztlichen Mission" oder die Gestalt eines Albert Schweitzer (1875–1965) zeugen davon. Mit der Abnahme eurozentrischer Sichtweisen und der Förderung der kirchlichen Eigenständigkeit unterstützen Verantwortliche wie Papst Gregor XVI. (1765–1846) oder der Anglikaner Henry Venn (1796–1873) die Inkulturation in die einheimische Alltagskultur sowie bei künstlerischen Darstellungsweisen und musikalischen Traditionen. All diese Momente, aber auch Kritik und Widerstand der Interaktionspartner haben zu Dekolonisation und Unabhängigkeit beigetragen und die Grundlagen für eine kraftvolle, quantitative und spirituelle Entwicklung des Christentums in den subsaharischen Ländern gelegt, so dass Subsahara-Afrika ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehrheitlich dem Christentum in seinen kirchlich und konfessionell pluralen Gestalten angehört. Dabei ist die Dialektik von Mission und Kolonialismus13 zu bedenken, denn aus den Missionsschulen gingen auch die meisten Anführer der Unabhängigkeit hervor.
Interkulturelle Kommunikations- und Transferprozesse
Aus der immensen Vielfalt der interkulturellen und interreligiösen Kontakte zu außereuropäischen Kulturen, die sich in dem halben Jahrtausend der Neuzeit im Rahmen der christlichen Mission ergaben oder bewusst gesucht wurden, können hier nur beispielhaft einige nachhaltig wirkende Formen genannt werden, die jedoch typischen Charakter haben.
Ein erster nachhaltiger Typ interkultureller Kommunikation, der von vornherein politische Hegemonie mit kultureller mestizaje (Mischung) verbindet, prägte im großen Stil Hispano- und Lusoamerika. Unter dem Patronat der iberischen Kronen entfaltete sich eine äußerst rege Missionstätigkeit der hoch motivierten und gebildeten Ordensleute, die vor allem aus den Mendikantenorden stammten. So sahen die Franziskaner in Mexiko eine neue "Urkirche" entstehen, welche die in Europa erlittenen Verluste kompensiere. Wie die Dominikaner überzogen sie das alte Aztekenreich mit Klöstern, die zugleich Missionsstationen waren.
Durch die immense Bautätigkeit von Kirchen und Klöstern wurden architektonische und künstlerische Formen der europäischen Renaissance und später des Barock übertragen, die zu hybriden Mischungen mit der indianischen Kultur führten und eine christliche Kunst eigenen Typs hervorbrachten.14 Deutlich zeigt sich dies im entwickelten neuspanischen Barock oder dem indigenen Figurenschmuck der Kirche von Tonantzintla in der Nähe von Cholula (Mexiko). Einen Höhepunkt architektonischer und künstlerischer Leistung bildet die Kollegskirche San Francisco Javier in Tepotzotlán nördlich von Mexiko-Stadt, die mit einer churrigueresken Fassade und einer reich vergoldeten Innenausstattung mit hohen Retabeln, Skulpturen und Gemälden glänzt. Ähnliches gilt für die barocke Kunst im Andenraum in der ganzen Breite architektonischen und künstlerischen Ausdrucks, von der Wandmalerei bis zum Ölbild, von der Goldschmiedekunst bis zur Skulptur. Beispiele sind die Kirche Santa Cruz de Jerusalén in Julí (Peru) mit ihrem floralen und figuralen Fassadenschmuck oder die Malerei der Künstlerschule von Cuzco.
An einem zweiten Typ interkultureller Kommunikation lässt sich die Dialektik der Mission ablesen, deren positive wie negative Seiten in der indigenen Wahrnehmung in Wort und Bild festgehalten wurden. Im kolonialen Peru verfasste zu Beginn des 17. Jahrhunderts der Mestize Felipe Guamán Poma de Ayala (ca. 1550–1615), der die Sprachen, Symbole, Interpretationen und ikonographischen Kommunikationstechniken beider Kulturen beherrschte, einen zweisprachigen Text (Spanisch und Quechua) von fast 1.200 Seiten mit über 450 ganzseitigen Federzeichnungen, so dass eine hybride Bildgeschichte entstand, die spanische und inkaische Sichtweisen ineinander projiziert. Der Autor hatte Kultur und Religion der Europäer so tiefgreifend rezipiert, dass er sie auch kritisch gegen bestimmte Praktiken der kolonialen Gesellschaft und Kirche wenden konnte. Die umfangreiche Bilderchronik ist eine ikonische Erzählung von Tahuantinsuyu, so der inkaische Namen für das "Reich der vier Weltgegenden", und wurde vom Autor als "Brief" an den spanischen König Philipp III. (1578–1621) konzipiert. Denn dieser sollte, wie schon aus dem Titel Neue Chronik und gute Regierung (Nueva Corónica y Buen Gobierno)15 hervorgeht, für eine "gute Regierung" sorgen, die sich an den im Inkareich geltenden Prinzipien der Gerechtigkeit orientiert.16
Die Bilderchronik beschreibt zum einen die Geschichte der andinen und der europäischen Geschichte bis zur Conquista dergestalt, dass die andine Weltordnung und Periodisierung erhalten bleiben (Christus wird zur Zeit des zweiten Inka Sinche Roca geboren) und nur die Weltmitte ausgetauscht wird: Wo das Zentrum Cuzco (=Nabel) war, ist nun das Königreich Kastilien, dem die neuen vier Weltgegenden zugeordnet werden. Zum anderen erzählt die Chronik von den Akteuren der spanischen Kolonialherrschaft und der kirchlichen Mission, nicht ohne sie einer harschen Kritik zu unterziehen und die Leiden des "armen Indio" ins Bild zu bringen. Die in Kopenhagen aufbewahrte Chronik verbindet die peruanische und europäische Geschichte politisch, kulturell und religiös auf integrale Weise miteinander, ohne die negativen Aspekte zu unterschlagen.
Neben diese exemplarischen interkulturellen Kommunikationsformen aus dem Raum der altamerikanischen Reiche traten im asiatischen Raum andere, nicht weniger kommunikative Formen, die jedoch mehr Wechselseitigkeit des interkulturellen Austauschs erkennen lassen.
So hat sich ein dritter Typ der interkulturellen Kommunikation im asiatischen Raum herausgebildet und im 17. und 18. Jahrhundert vor allem in den Kulturen Japans, Chinas und Indiens Gestalt gewonnen. Für diesen Typ gilt das Leitbild der "Akkommodation", das die Anpassung an die jeweiligen kulturellen Räume und Verstehensbedingungen der Zeit meint. Die Grundlage für diese verstehende Zugangsweise geht auf den flexiblen Italiener Alessandro Valignano zurück, der die fernöstlichen Missionen organisierte und den Paradigmenwechsel im Umgang mit den fremden Kulturen einleitete. Angesichts der hohen japanischen Kultur, die schon Franz Xaver als einer der ersten Missionare schätzte, bestand der Wechsel zum einen darin, keine Anpassung an die europäischen Sitten zu verlangen und das Fremde nicht ethnozentrisch als "barbarisch" zu diskriminieren, auch wenn umgekehrt Japan die europäischen Langnasen nipponzentrisch als "südliche Barbaren" bezeichnete. Zum anderen forderte das neue Programm in Anerkennung der fremden Kultur das Eintauchen in Sprache und Kultur des Landes, das von den Details des Alltags bis zu offiziellen Zeremonien reichte.
Das Grundprinzip der Akkommodation, das in einem 1583 verfassten Handbuch (Il cerimoniale per i missionari del Giappone) zur vielfältigen Anwendung kam, bezog sich auf Sprachkompetenz und Bildung, auf Kleidung und Essen, auf Höflichkeit und Etikette bis hin zur Übernahme der Rangstufen des Zen-Buddhismus für das Missionspersonal. Ein solches Verfahren brachte nicht nur den wechselseitigen Transfer von Ideen und Ritualen mit sich, sondern auch von Druck- oder Maltechnik. In den Malerschulen dieser Kirishitan genannten Periode eines blühenden Christentums in Japan, das allerdings am Anfang des 17. Jahrhunderts in Verfolgung und Verbot mündete, gab es Künstler, die japanische und europäische Technik und Ikonographie so beherrschten, dass sie "hybride" Bilder zu malen verstanden wie das obige Portrait von Franz Xaver.
Transkultureller Austausch
Der missionarische Paradigmenwechsel, den Valignano eingeläutet hatte, sollte nicht auf Japan beschränkt bleiben, sondern auch beim großen Missionsprojekt in China Anwendung finden, vor allem bei Matteo Ricci, der mit der neuen Missionskonzeption im geistigen Gepäck ins Reich der Mitte reiste. Diese Epoche der christlichen Mission im kaiserlichen China17 war so bedeutsam, dass den Protagonisten auf dem Friedhof Zhalan in Beijing auch in der heutigen Volksrepublik ein ehrendes Andenken gewahrt wird.
Der wechselseitige Austausch kam dadurch zustande, dass Ricci nicht nur den Gepflogenheiten der führenden konfuzianischen Bildungselite folgte, sondern als "Weiser aus dem Westen" (Xitai) auch die Klassiker der konfuzianischen Tradition studierte. Grundvoraussetzung dafür waren die Beherrschung der chinesischen Sprache in Wort und Schrift, aber auch die Freundschaft und der Austausch, welche die Missionare mit chinesischen Gelehrten pflegten. Einige von ihnen wie Xu Guangqi (1562–1633) und Li Zhizao (1569–1630) konvertierten zum christlichen Glauben und wurden zu "Säulen" des Austauschs und der jungen Kirche.
Riccis Missionskonzeption sah die Mitglieder der konfuzianischen Bildungselite als seine Gesprächspartner, denen er plausibel machen wollte, dass die christliche Lehre mit den besten Traditionen Chinas nicht nur harmoniere, sondern sie erfülle. Über die äußerliche Anpassung hinaus hatte Ricci auch eine innere Interkulturalität im Blick, die wissenschaftlichen Austausch und geistigen Dialog erst ermöglicht. Die Konzeption, die von den großen Chinamissionaren des 17. und 18. Jahrhunderts wie Ricci, Adam Schall von Bell, Martino Martini (1614–1661), Ferdinand Verbiest und anderen erfolgreich angewandt wurde, beinhaltete eine Politik der Adaption an die chinesische Kultur, den Ansatz "von oben", das heißt bei den wissenschaftlichen und politischen Eliten, die Öffnung gegenüber chinesischen Werten und die Akzeptanz der Ahnenverehrung als ziviler Ritus sowie die indirekte Verbreitung des Glaubens durch Wissenschaft, Technologie und Künste. Durch seinen umfangreichen Briefwechsel mit den katholischen Chinamissionaren beförderte auch der protestantische Gelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz Austausch und Wissenstransfer, wobei er insbesondere an der "propagatio fidei per scientias" Interesse zeigte.18
Im Rahmen der Chinamission erreichte aber nicht nur Wissen, Technik und Kunst aus Europa das Reich der Mitte, vielmehr flossen auch umgekehrt Informationen und Kenntnisse über China nach Europa. Dies geschah einerseits durch umfangreiche Berichte der Missionare und Korrespondenzen wie die von Leibniz, aber auch durch systematische Darstellungen von Geschichte und Kultur (Nicolas Trigault (1577–1628), Martino Martini) oder durch illustrierte Werke wie China monumentis, qua sacris qua profanis, nec non variis naturae & artis spectaculis, aliarumque rerum memorabilium argumentis illustrata (1667) von Athanasius Kircher (1602–1680)[].
Von besonderer Bedeutung aber war die Erschließung chinesischer Weisheit und Kultur, wie sie neben anderen der italienische Missionar Prospero Intorcetta (1625–1696) vornahm, als er mit seinem 1669 erschienenen Buch Sinarum scientia politico-moralis dem Westen Leben und Denken des Konfuzius (551–479 v.Chr.) zugänglich machte und zusammen mit dem Belgier Philippe Couplet (1623–1693) das Werk Confucius Sinarum Philosophus, sive scientia sinensis (Paris 1687) herausbrachte, das erstmals die klassischen konfuzianischen Schriften, den Kern chinesischer Bildung, ins Lateinische übersetzte. Diese und andere Veröffentlichungen sollten in Europa das Interesse an der chinesischen Weisheit und Kultur wecken, aber auch die Grundlagen für die moderne Sinologie legen.
"Übersetzungen"
Interkulturelle und damit auch missionarische Kommunikation geschieht im Medium der Sprache und erfordert daher die "Übersetzung", angefangen beim mündlichen Austausch über die wörtliche oder sinngemäße Übertragung eines Textes bis zur kulturellen Übersetzung in lebenspraktischen, ethischen, künstlerischen Ausdrucksformen. Exemplarisch sei der religiöse Wissenstransfer anhand der Übersetzung der Bibel als Ur-Kunde des christlichen Glaubens in den Blick genommen. Die Übersetzbarkeit der Bibel in alle Sprachen und deren Fähigkeit, das Evangelium, die schriftlich fixierte "gute Botschaft", auszudrücken, gehört zur kirchlichen Grundüberzeugung, die theologisch im Pfingstgeschehen und der dort bildhaft berichteten universalen Verstehbarkeit (vgl. Apostelgeschichte 2,11) narrativ zur Sprache kommt. Schon die Tatsache, dass die Schriften des Neuen Testaments nicht in Aramäisch, der Sprache Jesu, verfasst sind, sondern in der Lingua franca des östlichen Mittelmeerraums, zeigt den missionarischen Übersetzungswillen bzw. die Translations- und Inkulturationsfähigkeit des Christentums. Die "Heilige Schrift" ist zwar in Hebräisch und Griechisch verfasst, aber nicht so daran gebunden, dass sie nicht übersetzbar wäre. Das zeigen die vielfältigen Übersetzungsbemühungen, beginnend mit der Übersetzung ins Lateinische (Vulgata) über zahlreiche spätantike und mittelalterliche Übersetzungen oder Paraphrasen in europäische und außereuropäische Volkssprachen, ob ins Gotische, Englische, Slawische oder Fränkische, ob ins Koptische, Armenische, Persische oder Arabische.
In der Mission der Neuzeit, die nach der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern über ungleich effizientere Weisen der Verbreitung verfügte, gewinnt die Übersetzung der Bibel und anderer christlicher Schriften, wie Katechismen, in außereuropäische Sprachen zunehmend an Bedeutung. In den katholischen Missionen der Frühen Neuzeit kam es zu vollständigen Übersetzungen des Neuen Testaments, zu Teilübersetzungen der Bibel für liturgische Zwecke, zu Paraphrasen und bildlichen Darstellungen biblischer Perikopen, aber auch zu Evangelienharmonien und epischen Umformungen der biblischen Stoffe. Typisch für diese Bemühungen sind eine illustrierte chinesische Evangelienharmonie (1635) von Giulio Aleni (1582–1649) oder im indischen Kulturraum ein von Thomas Stephens (1549–1619) verfasstes Bibelversepos in Marathi (um 1600). Wurde die Frage der Bibelübersetzungen im konfessionellen Zeitalter katholischerseits eher restriktiv behandelt oder gar mit kirchlichen und staatlichen Verboten belegt, so erlebten protestantische Bibelübersetzungen zu missionarischen Zwecken neue Höhepunkte. Die erste in der Neuen Welt gedruckte Gesamtbibel stammte von dem englischen Puritaner John Eliot, der in Neuengland eine Grammatik des Algonquin (Massachusetts) verfasste, die gesamte Bibel in diese Sprache übersetzte und unter dem Titel Mamusse wunneetu-panatamwe Up-Biblum God in Cambridge (Massachusetts) 1663 erscheinen ließ.
In Asien legte einige Jahrzehnte später der deutsche Missionar Bartholomäus Ziegenbalg, der von der Dänisch-Englisch-Halleschen Mission nach Tranquebar in Südindien entsandt worden war, eine Übersetzung des Neuen Testaments in Tamil vor (1715), während am Anfang des 19. Jahrhunderts der englische Baptist William Carey (1761–1834) als Sprachforscher tätig war und die Bibel in mehrere indische Sprachen wie Bengali, Sanskrit und Marathi übertrug – so wurde 1801 ein Neues Testament in Bengali in Serampore gedruckt.
Da die von beiden Konfessionen getragene Missionstätigkeit in Afrika von wenigen Ausnahmen abgesehen erst im 19. Jahrhundert einsetzte, kam es – abgesehen von den frühen koptischen, äthiopischen und nubischen Übersetzungen – erst spät zur Übertragung biblischer Texte in die außerordentlich vielfältige Sprachenlandschaft des subsaharischen Afrika. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Übersetzungen zunächst eine Verschriftung der schwarzafrikanischen Sprachen und ihre linguistische Bearbeitung sowie eine wenigstens rudimentäre Alphabetisierung der Adressaten voraussetzten. Die Übermittlung der biblischen Botschaft setzte also auf beiden Seiten komplexe Lernprozesse in Gang, welche weit über den Missionszweck hinaus kulturell und gesellschaftlich wirksam wurden.
Im missionarischen Gewebe eines globalen Translationsunternehmens wurde die Bibel zu dem wohl meistübersetzten Buch.19 Zählte man bis zum Jahr 1800 nur etwa 80 Bibelübersetzungen, so stieg deren Zahl in den beiden letzten Jahrhunderten sprunghaft an. Durch die Bemühungen vor allem der Missions- und Bibelgesellschaften stieg die Zahl um 1900 auf weltweit insgesamt 620 Übersetzungen.
Ausblick
Zusammenfassend lassen sich bei der christlichen Mission in der Neuzeit zwei große Phasen unterscheiden: die Phase eines globalen Aufbruchs von der Epochenschwelle der Neuzeit bis zum Zeitalter der Aufklärung und Säkularisation um 1800 und die Phase einer Erneuerung im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die erste Phase spielte sich in der Regel im Rahmen der europäischen Expansion und ihrer kolonialen oder hegemonialen Bestrebungen ab, stand unter dem Patronat vor allem der (katholischen) iberischen Seemächte und zeigte auch einen starken religiösen Aufbruch der humanistisch gebildeten Orden. Auch die zweite Phase stand im Zeichen des Kolonialismus der neuen (nun auch protestantischen) europäischen Seemächte, wurde jedoch von einem religiösen Aufbruch der Konfessionen getragen, insbesondere auch von Erweckungsbewegungen. In beiden Phasen gab es kritische Stimmen für die Entpolitisierung der Mission und für ihre religiöse Selbstständigkeit. In beiden Phasen bedeutete die Kolonialmission eine ambivalente Verquickung von (National-)Staat und Religion und damit nicht nur eine Förderung, sondern zugleich auch eine Hypothek der Christianisierung, die erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch Dekolonisation abgebaut wurde. Gleichwohl kennen beide Phasen den selbstlosen Einsatz von hoch motivierten Missionaren, welche die Einwurzelung des Christentums in anderen Kulturen betrieben und vielfältig den interkulturellen Austausch vorantrieben, vor allem im Bereich der Sprache und der sakralen Kunst.
Die Epochenfuge zwischen beiden Phasen brachte am Ende des 18. Jahrhunderts die Mission in die Krise, nicht nur durch die Schwäche der bisherigen Patronatsmächte, sondern auch durch Säkularisationsprozesse wie die Aufhebung des Jesuitenordens, die Französische Revolution und den Reichsdeputationshauptschluss sowie durch intellektuelle Strömungen. Dies aber bedeutete für die Missionsbestrebungen der Konfessionen auch eine Reinigung der Motive und den Beginn der letzten europäisch und nordamerikanisch geprägten Phase der Mission, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts an ihr Ende kam und sich nach der Dekolonisation neu formierte und diversifizierte, so dass christliche Mission in der Gegenwart von allen Kontinenten ausgeht.